GamesCom! Eine Woche lang war Köln das Mekka der internationalen Gamingszene. Dabei wird eine Community sichtbar, die – gemessen an ihrer Größe – im realen Leben äußerst unauffällig ist. Die Gamingszene findet man vor allem im Internet. Sie ist mit und um die Entwicklung der Social Media herum gewachsen und inzwischen mit den Sozialen Netzwerken untrennbar verbunden.
Dabei hat sich eine Kommunikationsform entwickelt und etabliert, die in der breiten Öffentlichkeit bisher kaum eine Rolle spielte: Livestreaming – also die live Übertragung von Bild und Ton über das Internet. In der westlichen Hemisphäre nennt sich die zentrale Plattform dafür Twitch.tv.
Was ist Twitch.tv?
Twitch.tv wurde 2011 zunächst als Spin-off des allgemeinen Live Streaming Portals justin.tv gegründet. In den folgenden Jahren wuchs Twitch.tv nicht nur zu einem der größten Live-Video-Portale heran, sondern auch zu einer zentralen Social Media Plattform für Gamer. 2014 übernahm Amazon Twitch.tv für $970 Millionen. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Plattform bereits 55 Millionen individuelle Zuschauer monatlich.
Produziert werden die Inhalte von fast 2 Millionen individuellen Streamern, 13.000 von ihnen nehmen am Partnerprogramm teil. Das Partnerprogramm ermöglicht es Streamern, ähnlich wie auf YouTube, am Erfolg ihres Streams finanziell beteiligt zu werden. Der Großteil der Inhalte besteht aus Liveübertragungen von E-Sports- und Gaming-Media-Events sowie persönlichen Streams individueller Spieler. Sie alle verbindet eine einzigartige Subkultur mit eigener Sprache, Symbolik und Ritualen.
E-Sport-Events sind eine Mischung aus Sportveranstaltung und Rock-Konzert.
Wie funktioniert Livestreaming?
Um einen Livestream auf Twitch.tv starten zu können, benötigt man einen Twitch-Account, einen leistungsfähigen PC, schnellen Internetzugang sowie eine spezielle Software, die die gewünschten Inhalte auf dem Bildschirm erfasst, verarbeitet und an die Twitch-Server sendet. Diese Software stellt Twitch nicht selbst zur Verfügung. Die meisten Streamer nutzen daher Open Source Programme wie zum Beispiel „Open Broadcasting Software“ (OBS). Alternativ können zum Streamen auch die Spielekonsolen Xbox One und Playstation 4 verwendet werden. Auf diesen Plattformen ist die nötige Software bereits integriert.
Die Kommunikation zwischen dem Streamer und seinen Zuschauern ist ein zentraler Bestandteil des Livestreaming. Die meisten Streamer nutzen deshalb ein Mikrofon und eine FaceCam um mit ihren Zuschauern zu kommunizieren. Eine FaceCam ist eine WebCam, die den Streamer beim Spielen filmt und das Video in den Stream integriert. Die Interaktion zwischen Zuschauern und Streamern steigt dadurch erheblich, ebenso die Popularität des Streams. Der Produktionsqualität sind kaum Grenzen gesetzt. Professionelle Übertragungen beschäftigen Produktionsteams, die denen von Liveübertragungen von Sportevents im Fernsehen um nichts nachstehen.

So sieht die Nutzeroberfläche von Twitch aus: Links die Menuleiste über die ma auswählen kann welches Video man als nächstes sehen möchte. In der Mitte der Stream, der das Spielgeschehen überträgt; eingebettet ist die Facecam, über die der Spieler/Streamer zu sehen ist. Rechts der Chat, mit dem Spieler/Stream und Zuschauer kommunizieren.
Unterschiede zu und Gemeinsamkeiten mit anderen Social Media Plattformen
Im Gegensatz zu vielen anderen Social Media Plattformen findet ein Großteil der Interaktion auf Twitch.tv über das Chatsystem statt. Die Schnelllebigkeit von Live-Video und -Chat führt dabei zu einer anderen Art der Kommunikation als sie beispielsweise auf YouTube oder Facebook zu findet ist. Mit einer Halbwertszeit von oft nur wenigen Sekunden sind einzelne Chatnachrichten nicht dazu geeignet, komplexe Informationen zu vermitteln oder Dialoge zu führen. Sie werden vielmehr dazu genutzt spontane Emotionen zum Ausdruck zu bringen. Eine zentrale Rolle spielen dabei Emotes, kleine Bilder mit individuellen Bedeutungen, die wie eine eigene Sprache fungieren.
Die Kommunikation mit anderen Zuschauern ist dabei mindestens genauso wichtig wie die Kommunikation mit dem Streamer. Der Chat auf Twitch.tv ist vergleichbar mit dem Fangesang bei einem Fußballspiel oder der Atmosphäre bei einem Rockkonzert. Durch den Fokus der Interaktion auf den jetzigen Moment entsteht eine starke emotionale Identifikation mit dem Geschehen und der gesamten Gruppe von Beteiligten.
Zukunftsperspektive Livestream
Livestreaming als Kommunikationsform wie wir es heute schon auf Twitch.tv sehen, steht erst am Anfang seiner Entwicklung. Die Gaming Szene ist deswegen auch in diesem Bereich ein Vorreiter, weil sie sowohl die Produzenten als auch die Konsumenten der Inhalte genau dort abgeholt hat, wo sie sich aufhalten – am PC und an den Spielekonsolen. Mittlerweile liegt der Prozentsatz aller Views von Twitch auf mobilen Endgeräten allerdings schon bei 35%. Mit der weiteren Verbreitung schneller mobiler Internetzugänge wird der Anteil mobiler Nutzung noch steigen.
Mit dem Zugang über mobile Geräte wird die Technologie auch für andere Benutzergruppen interessant. Facebooks Live und Twitters Periscope sind nur zwei Beispiele von Plattformen, die Livestreaming als zentralen Bestandteil moderner Kommunikation auch außerhalb der Gamingszene etablieren könnten. Die erfolgreiche Erarbeitung und Umsetzung einer Social-Media-Strategie für Livestreaming sollte sich die Erfahrungen und Lehren von Twitch.tv zunutze machen.
UPDATE: YouTube hat am 17. August bekannt gegeben, dass seine Plattform YouTube Gaming nun auch in Deutschland verfügbar ist. Sie soll mit ihrer Streaming Funktion eine direkte Alternative zu Twitch.tv bilden. Quelle: horizont.net
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